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Aus nach 20 Jahren - Die Radeburger Straßen sind für Rollskiläufer nun tabu!
(Überarbeitung 20. Januar 2024)
Noch am 16. September 2023 sendete der MDR Sachsenspiegel einen begeisterten Beitrag über die Nachwuchsskisportler „auf dem flachen Land“. Nun steht der Biathlon- und Skisport in Radeburg vor schweren Einschränkungen, wenn nicht gar vor dem Aus. Zum Jahresende endet der Trainingsbetrieb im Straßenbereich für die derzeit fast 90 Sportlerinnen und Sportler. Dies beschied die Stadt Radeburg.
Die Tore bleiben zu! Ausblick in eine düstere Sportzukunft auf die meist leeren Straßen im Radeburger Gewerbegebiet
Die Abteilung Ski/Biathlon gehört zur Dresdner Sportgemeinschaft Klotzsche e.V. Als Talente-Stützpunkt des Deutschen Skiverbandes steht der Sportnachwuchs im Mittelpunkt. So konnten in den letzten Jahrzehnten rund 35 Sportler den Weg nach Altenberg oder an andere Sportclubs antreten. Auch Erwachsene finden Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung, die vom Freizeitsport bis zum ambitionierten Amateurbereich reicht.
Fehlende Sportstätten für Langläufer und Biathleten im Dresdner Norden brachten das vollständig auf ehrenamtlicher Basis stehende Training der Skisportler nach Radeburg. Mit dem damaligen Bürgermeister Dieter Jesse fand sich im Jahr 2002 ein begeisterter Förderer. Seither sind die Sportler im Gewerbegebiet aktiv, haben mit Unterstützung der Stadt Radeburg einen Schießstand aufbauen können und dank der Hilfe benachbarter Firmen eine von der Straße getrennte Trainingsstrecke für Einsteiger zur Verfügung. Diese wird auch von der Radeburger Bevölkerung gern genutzt, wenn es gilt, Kindern Radfahren oder Inline-Skaten beizubringen.
All das soll nun ein Ende haben. Zuerst wurde der Vertrag zwischen der SG Klotzsche e.V. und der Stadt Radeburg für das Schießstand- und Trainingsgelände durch die Stadt Radeburg zum 01.04.2024 gekündigt. Die Genehmigung zum Training auf den Straßen im Gewerbegebiet Radeburg wurde kurz darauf schon zum 31.12.2023 gestoppt. Angeführt werden rechtliche Gründe. Gegen beide Entscheidungen wurde Widerspruch eingelegt. [Ergänzung 20. Januar 2024: Die Stadt Radeburg hat die Kündigung der Schießanlage in dieser Woche zurückgezogen und den Vertrag zunächst bis zum Sommer 2026 bestätigt.]
Erfolgreiche Biathleten trainierten und trainieren in Radeburg. So der Weltcup-Medaillengewinner und Europameister von 2002 Carsten Pump, die früheren Juniorenweltmeisterinnen Nicole Wötzel und Katrin Cruschwitz oder der Deutsche Juniorenmeister Christoph Noack. Außerdem Janik Löw, Moritz Bärsch und der aus Naunhof stammende Lennart Hunger, die als Sieger und Medaillengewinner in Deutschlandpokal und Alpencup verzeichnet sind. Frances Kaiser, Amelie Zimmermann – der Namen sind viele. Nachrückende Talente, wie Magdalena Drechsler, Leonard Pump oder Pepe Lindner stehen für die Kontinuität unter Cheftrainer Lutz Kaiser und tragen die Namen der SG Klotzsche und der Stadt Radeburg in die Sportwelt.
Magdalena (14) sagte noch letztens im MDR-Interview, sie sei froh, in der Nähe Ihres Wohnorts trainieren zu können, ohne sich schon früh für ein Leben im Internat entscheiden zu müssen. Sie ergänzt: "Hier in Radeburg haben wir sehr gute Trainingsbedingungen. Als ich erfuhr, dass damit nach Silvester Schluss ist, war ich geschockt. Ich habe beim Training am Sonntag mal die Autos gezählt - außer dem Wachschutz war nicht ein einziges Auto gleichzeitig mit uns auf der Straße. Ich verstehe nicht, was das Ganze soll."
Der erst neunjährige Pepe Lindner aus Radeburg ergänzt: "Ich mache Biathlon bei uns in Radeburg. Das ist echt cool und im Sommer kann ich mit dem Rad hinfahren."
Nicht nur die Biathleten ziehen Aufmerksamkeit auf sich. Im sommerlichen Rollskisport bestimmt der Verein oft das Wettkampfgeschehen von den Kleinsten bis zu den Senioren. Den gerade zu Ende gegangenen „Rollski- Cup Sachsen“ gewinnt die erst zehnjährige Ann-Elen Adler aus Sacka mit der Maximalzahl von 200 überhaupt möglichen Punkten. Mit Rosa Zimare und Frans Daubitz schafften es in diesem Jahr zwei Sportler in das „Rollski Team Germany“ und starteten im Rollski-Weltcup.
Früher Senioren-WM, heute Masters World Cup: Auch im Seniorenbereich werden Erfolge errungen. Von drei Startern aus dem Verein ragte Karola Jansky heraus, die im Frühjahr 2023 mit Silber und 3x Bronze in Seefeld (AUT) extrem erfolgreich war und daher völlig verdient vom Sächsischen Skiverband ausgezeichnet wurde.
Nicht zuletzt konnten durch die Ausrichtung der „Deutschen Meisterschaften Rollski“ 2013 und 2016 die Städte Dresden und Radeburg sowie die namensgebende Region „Dresdner Heidebogen“ über die Grenzen Deutschlands hinaus als Standort für den Skisport bekannt gemacht werden.
Aus der Sicht der Sportler, Trainer und Eltern ist es schwer nachzuvollziehen, warum nach mehr als 20 Jahren einem renommierten Nachwuchs-Sportangebot mit weit mehr als regionaler Ausstrahlung kurzfristig ein Ende gesetzt wird. Dies umso mehr, als im nächsten Jahr mit dem Dresdner City-Biathlon die Weltspitze in Sachsen zu Gast sein wird und bereits heute Anfragen vorliegen, ob der regionale Biathlon-Talente-Stützpunkt sich einbringen könne. Dazu sind alle gern bereit. Realisierbar ist dies aber nur, wenn es dann noch Biathleten gibt, die in Dresden und den nördlich angrenzenden Gebieten aktiv trainieren können.
Fünf junge Sportler, die in diesem Winter für den deutschlandweiten Wettkampfbetrieb qualifiziert sind, werden nun ihre sportliche Karriere mitten in der Saison beenden müssen. Ebenso kommt damit das Aus für den gesamten Kinder- und Jugendbereich mit vielen Kindern, die in Radeburg und Umgebung zu Hause sind. Ausgerechnet jetzt, nachdem gerade die Verwerfungen der Corona-Zeit einigermaßen bewältigt sind.
Linus Reichelt (13), der vor drei Jahren mit dem Training bei der SG Klotzsche begann, sagt: „Nachdem ich 2023 zum zweiten Mal in Folge den Rollski Cup Sachsen gewinnen konnte, habe ich mich mega auf die Wintersaison gefreut! Gemeinsam mit Greta, Magda und Oskar habe ich mich für den Deutschen Schülercup im Biathlon qualifiziert. Wenn wir im Januar nicht mehr trainieren können, werden wir dort wohl nur hinterherlaufen.“
Unterstützung wurde gesucht und gefunden. So setzt sich neben den Sportverbänden auch Jan Donhauser, Sportbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden, für eine kurz- und mittelfristige Lösung ein. Auch Stadträte aus Radeburg zeigen sich aufgeschlossen. Unterstützung bekommt der Verein auch von Christian Hartmann, MdL, Abgeordneter für den Dresdner Norden, Gemeinsam ist allen Überlegungen, dass sie Zeit brauchen. Alle wissen, dass Alternativen nicht von heute auf morgen realisiert werden können. Aber man kann und will diese angehen, hat konkrete Pläne und Ideen für neue Standorte.
Bis dahin gilt es, den Status Quo zu erhalten. Der Verein geht voran und hat nach Abstimmung mit den Anliegern der Trainingsstrecke bereits Maßnahmen umgesetzt, die zusätzliche Sicherheit beim Training auf den Straßen des Gewerbegebiets schaffen. Alle Anlieger-Firmen an der Trainingsstrecke haben dem zugestimmt.
Wenig Hoffnung vermitteln hingegen die Kontakte zur Stadt Radeburg und dem Landkreis Meißen. Auch wenn die Kündigung der Schießanlage wohl zurückgezogen werden soll, so Bürgermeisterin Frau Ritter im Stadtrat. Die vom Verein vorgelegten Ideen für eine straßenunabhängige Trainingsstrecke lassen sich so wohl nicht realisieren. Weitere Trainingsmöglichkeiten auf den Straßen sind fraglich. Unser Widerspruch gegen die Aufhebung der Straßennutzung wurde am 18.12.2023 endgültig abgelehnt. Alternativ wurden wiederkehrende Sportveranstaltungen beim Landkreis angemeldet. [Ergänzung 20. Januar 2024: Dem Verein wurde inzwischen nahegelegt, die Anträge zurückzuziehen, da diese nicht genehmigungsfähig wären.]
Seit dem 01. Januar 2024 wird der Trainingsbetrieb nun notgedrungen auf Lauf- und Cross-Einheiten umgestellt - mitten in der Saison für Skiläufer eher eine Katastrophe. Die Suche nach alternativen Rollski-Strecken läuft und gestaltet sich erwartungsgemäß schwierig. Asphaltierte verkehrsfreie Strecken mit Beleuchtung sind rar. [Ergänzung 20. Januar 2024: Die Gemeinde Ottendorf-Okrilla hat jüngst einem Rollskitraining zwischen Mediengen und Hufen zugestimmt.] Erste Sportler scheinen zu resignieren und ziehen sich zurück.
Grafik: Jessica Haustein
Ursprüngliche Pressemitteilung der Abteilung Ski/Biathlon vom 30.11.2023 | |
Empfehlungsschreiben des Sächsischen Skiverbandes | |
Empfehlungsschreiben des Deutschen Skiverbandes |
Die Situation wurde von den Medien aufgegriffen. Es berichteten:
Radeburger Anzeiger | |
MDR | |
Sächsische Zeitung |